Sonntag, 16. November 2025

Brief an die Gerechtigkeit 2017


Zwischen System und Seele: Muttersein mit einem neurodivergenten Kind...


Schon damals war es Zeit, zu sprechen. Zeit, zu wissen, Zeit, den Unterschied zu erkennen. Aber wie dann, dies sieht man weder auf Bilder, noch gibt es dazu eine klinische Diagnose...lediglich der Mutterinstikt, flüstert einem ins Ohr, dass dieses Kind auf seine wunderbare Art anders ist, als normale (und was heisst dann bitte schön normal ?)

 Die Jahre vergingen – und mit ihnen wuchs später die Erkenntnis, dass auch genau die Inkompetenz der Behörden, dieses Andersein richtig zu erfassen, erkennen umd akzeptieren, zum Wendepunkt wurde. Ein Meilenstein für Jahre voller Trauer, Schmerz und tiefem Ringen um Verständnis.

Aber zurück zum Anfang...

Du wusstest es schon damals, mein liebes Kind: Du bist nicht systemkonform. Nicht, weil du „kaputt“ bist, sondern weil du auf deine wunderbare Art einfach anders bist. Schon in der Schwangerschaft warst du wie ein Pendel – immer in Bewegung, immer mit einer Botschaft, besonders dann, wenn dir etwas nicht passte. Besonders dann, wenn die Welt zu laut, zu grell, zu heiss, zu eng, zu vage wurde...

Wann habe ich begriffen, dass ich meine Ängste und die XY-Regeln über Bord werfen musste? Ganz am Anfang – als diese Krankenschwester dich zwingen wollte, auf dem Rücken zu schlafen, obwohl du ganz klar gezeigt hast, dass du lieber auf dem Bauch ruhst. Du hast dich selbst reguliert, selbst entschieden – und ich habe gelernt, dir zuzuhören. Ich habe gelernt deine Labyrinthe zu folgen, egal, ob ich deine Ängste verstanden habe oder nicht. Ich habe beschlossen dich zu lieben , dann die Liebe zu dir war der Nordstern um dich so zu begleiten, wie du bräuchtest, für dich einzustehen, wenn es der Welt wieder mal nicht passte..

Ein Lächeln und ein Funken Hoffnung schimmerten in mir: Vielleicht wacht dein Papa doch noch auf. Vielleicht würde er es schaffen, wenn seine Mutter ihm zur Seite stünde, ihm Liebe schenkte..Stattdessen versank sie mit ihm in seine leidvolle Welt. Und er versank noch mehr

Ja, mein Kind, die Sanftheit und Harmonie der Natur wurden zu deinen Verbündeten. Du hast gezeigt: Wer dich wirklich lieben will, muss dein Anderssein annehmen – gegen den Wind, gegen die Welt, wenn es sein muss. Oder flexibel genug sein, Mittelweg zu finden..
 Ein guter Freund von dir mal sagte später mal, dass wer dich nicht versteht und nicht verstanden hat, hat dich verdient...

„Struktur“ war das magische Wort. Doch was es wirklich braucht, ist flexible Wahrnehmung und Interpretation. Es braucht Wege, wie du mit der Überflutung sensorischer Reize umgehen kannst. Es braucht die Fähigkeit, deine Stärken zu erkennen und zu fördern – und deine Schwächen mit konstruktivem Blick zu begleiten.

Du bist kein Problem. Du bist lediglich eine Störung in einem starr funktionierenden System, das oft an Empathie mangelt...

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